Corona-Krise – und wir besiegen den Tod?

Da sagte Marta zu Jesus: »Herr, wärst du hier gewesen,
so wäre mein Bruder nicht gestorben.«

Johannes 11,21  (Zürcher Bibel 2007)

Nie war es so einfach, Leben zu retten!; man müsse einfach zu Hause bleiben – so tönt es diese Tage. Wer nicht raus geht, kann niemanden anstecken, kann selbst nicht angesteckt werden. Das klingt einleuchtend. – So gut gemeint manche Aussage und mancher Aufruf ist, so ist es doch angesichts der Nöte der Gegenwart anmassend, zu meinen: “Wir schaffen das!”. Es ist die Vorstellung, man könne mit vereinten Kräften das unsichtbare Virus besiegen, Krankheit und Tod abwenden, sich noch vollkommener als Münchhausen aus dem Sumpf ziehen und retten!

Nun, vielleicht haben wir dem Nachbarn in grosser Not echte Hilfe geben können, und vielleicht haben wir über Ländergrenzen hinweg mit gemeinsamem Einsatz medizinische oder andere Hilfe geben können, welche dort dann Menschen aus dem Elend befreite. Wunderbar! Gerne engagieren wir uns weiterhin. Trotzdem müssen wir feststellen, dass unsere Möglichkeiten beschränkt bleiben, dass wir nicht überall helfen können, ja dass wir nicht einmal uns selbst helfen können, weil es Grenzen gibt, die wir niemals überwinden werden.

Sicher drücken wir uns mitunter ungeschickt aus, gestehen das auch anderen zu; manches lässt sich revidieren. Dennoch mag es lehrreich sein, über diese oder jene publizierte Aussage etwas nachzudenken; so auch über eine Aussage, die Daniel Koch namens des Schweizer Bundesamts für Gesundheit im März machte: “Wenn wir Corona jetzt nicht eindämmen, verlieren wir die Kontrolle über die Todeszahlen”. Kontrolle über die Zahlen oder über den Tod?, Kontrolle über ein Virus? Angemessene und nötige Vorsichtsmassnahmen sind das eine, aber den Tod werden wir nicht kontrollieren und nicht besiegen, weder aus eigener Kraft, noch gemeinsam.

Im US-Staat New York kam es diesbezüglich zu einer öffentlichen Auseinandersetzung. Weil der Staat von der Pandemie besonders stark betroffen gewesen war, äusserte Gouverneur Andrew Cuomo sich nach einem ersten Rückgang der Zahl an COVID-19 Erkrankten so: “Unser Verhalten veränderte den Entwicklungsverlauf des Virus”. “Unser Verhalten stoppte die Ausbreitung”, und: “Gott hat das nicht gemacht. Der Glaube hat das nicht getan. Das Schicksal machte es nicht, sondern viel Schmerz und Leiden vollbrachten das”, unsere gemeinsamen Anstrengungen. Und Cuomo wiederholte: “Gott hat die Ausbreitung des Virus nicht verhindert. Was wir tun, wie wir uns verhalten, das wird bestimmen, wie sich das Virus ausbreitet”.

Franklin Graham, der zuvor mit seinem Hilfswerk ein Notspital in New York errichtet und über 60 Ärzte eingesetzt hatte, widersprach dem Gouverneur deutlich: Ja, wir sollen sehr umsichtig sein, was die Ausbreitung des Virus angeht, “doch machen Sie keinen Fehler: Gott kann uns helfen; Seine Macht ist so unbegrenzt wie Seine Liebe”. “In unserem Notspital erleben wir weiterhin Gebetserhörungen, und ich möchte Ihnen, Gouverneur Cuomo, dringend nahelegen: Schieben Sie nicht die Macht des Gebets auf die Seite, auch nicht Gottes Fähigkeiten, in dieser Krise und in denen, mit denen wir in der Zukunft konfrontiert sein werden, zu handeln. ER ist unsere Hoffnung und wir fahren fort, um Sein Erbarmen über unsere Nation zu bitten”.

Vielleicht denken wir ähnlich wie Marta, Gott hätte anders handeln sollen, und übersehen, das Grössere, das Gott vorhat. Als ein Freund Martin Luthers todkrank war, schrieb er ihm 1541: “Ja, diese Krankheit ist gefährlich, aber auch das Leben ist voller Gefahren, wenn wir schlafen, gehen, stehen und essen. Wir haben uns im Paradies den Tod angegessen: so ist es nicht verwunderlich, wenn wir ihn jeden Augenblick fühlen. Der Tod herrscht in uns, aber noch mehr das Leben durch den Herrn Jesus, der den Tod besiegt und das Leben ans Licht gebracht hat …”. Kein Mensch besiegt den Tod; doch Jesus Christus hat ihn überwunden – für uns!

© Pfarrer Reinhard Möller