Was lehrt William Paul Young?

Wer will Quellwasser gegen Giftbrühe tauschen?

Pfarrer Reinhard Möller

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Die Nordwestschweiz hat ein vielfältiges christliches Erbe, das sich auch in einer Vielzahl reformatorischer, pietistischer und evangelikaler Kirchen und Gemeinschaften wiederspiegelt. Basel versteht sich als weltoffene Stadt, der Einzelne ist ohnehin »weltweit vernetzt«, und so ist es nicht verwunderlich, dass zahllose internationale Einflüsse und Trends ebenfalls bei uns ankommen.

Kurz vor den Passionstagen 2019 reist der Bestsellerautor William Paul Young nun auch durch die Schweiz; einige kennen ihn durch seinen Roman »Die Hütte« (2007), der sich millionenfach verkaufte und 2017 verfilmt wurde. Vielleicht wäre das keinen Kommentar wert, wäre mir nicht die Einladung in ein regionales Konferenzzentrum zugeschickt worden: »Ein Abend mit William Paul Young / Autor des Bestsellers DIE HÜTTE«.

Die Überraschung war allerdings nicht, dass Young in die Schweiz kommt und über seine Bücher spricht, sondern die Überraschung waren die Veranstalter: christlich-evangelikale Gemeinschaften und Gemeinden. Hier in der Nordwestschweiz zeichnen als verantwortliche Veranstalter für den »Abend mit William Paul Young« gemeinschaftlich:

  • Anglican Church Basel
  • Chrischona Muttenz
  • Evangelische Mennonitengemeinde Schänzli (Muttenz)
  • Gebetshaus / House of Prayer Basel
  • ICF Basel, überkonfessionelle Freikirche

Sofort tauchten Fragen auf: Könnte es sein, dass die verantwortlichen Leiter dieser Kirchen die Lehren von William Paul Young gar nicht kannten? Oder hat man ihn gar bewusst wegen seiner Lehren eingeladen, weil diese so gut den Zeitgeist-Trends entsprechen? Wer möchte »im evangelikalen Raum« Youngs Irrlehren fördern und verbreiten, obgleich diese konsequent jedes biblisch-evangelische Fundament zerstören?

Zum Bestseller »Die Hütte«.

Der Roman »Die Hütte« hat als Hintergrund die Entführung von Missy, der jüngsten Tochter von Mackenzie Allen Phillips (kurz »Mack« genannt). Während Familienferien entführt, finden sich in einer Hütte in der Wildnis des Staates Oregon Hinweise, dass sie brutal ermordet wurde. Vier Jahre später bekommt Mack eine Notiz, nach der »Gott« ihn im Winter für ein Wochenende in die Hütte einlädt.

Das Buch schildert dann dieses Wochenende der Begegnung und der Gespräche mit Gott dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist – alle drei erscheinen ihm in menschlicher Gestalt: Gott-Vater als afroamerikanische Frau … Mack erlebt dabei »Heilung« und Verwandlung, bekommt Antworten auf seine existentiellen Fragen – und das ist das Anliegen des Autors. Dieser kämpft mit ganz zentralen Fragen wie: Wo steckt Gott, wenn diese Welt so voller Leid ist?, Was wissen wir zur Trinität und zur Errettung?, Gibt es viele Wege zu Gott?, Was kommt nach dem Tod? … Der Fantasy-Roman zeigt dem Leser Gottes liebevolle Zuwendung, dass Jesus für uns starb und dass er eine persönliche Beziehung zu uns sucht. Doch entspricht Youngs Botschaft dem, was uns der eine lebendige und wahrhaftige Gott offenbart hat? –

Es sollte doch jeden Christen hellhörig machen, dass Christen und Theologen, die mit Young sprachen, in Bezug auf »Die Hütte« von einer Fülle von Irrlehren schreiben. Ist das begründet?

Was lehrt William Paul Young?

Aus der Fülle dessen, was Young in den letzten Jahren publizierte oder in Interviews sagte, aus der Fülle dessen, was Christen hierzu an Analysen und Kommentaren publiziert haben, seien exemplarisch folgende neun Punkte angeführt:

1. »Die Hütte« als Offenbarung Gottes?

Young beansprucht, dass Gott 2005 und später zu ihm gesprochen habe, und dass dies dazu geführt habe, »Die Hütte« zu schreiben. Persönliche Erlebnisse und ausser-biblische Offenbarungen bestimmen den Inhalt; für ihn ist die Bibel nicht der Massstab, Erfahrungen zu hinterfragen. Das passt dazu, dass im Roman gesagt wird, der Heilige Geist sei auch in einem Kunstwerk oder in der Musik, in der Stille oder in Menschen erkennbar. Die evangelische Überzeugung der Irrtumslosigkeit der
Heiligen Schrift und des SOLA SCRIPTURA wird ganz bewusst verworfen, weshalb biblische Lehre verzerrt, verbogen und preisgegeben wird. Als Ersatz werden eigene Wünsche und Vorstellungen zum Glaubensinhalt.

Der Roman vermittelt zugleich, dass christliche Seminare in Bezug auf die Trinität – und auf alle anderen Bereiche klassischer christlicher Lehre – im Unterricht keine Hilfe seien; dasselbe gelte für christliche Gemeinden, Prägungen …

2. Dreieiniger Gott nach menschlicher Vorstellung?

»Die Hütte« will die Vorstellung von der Dreieinigkeit Gottes bewusst verändern, wobei sich »Gott« unseren menschlichen Bedürfnissen anpassen würde: Gott-Vater ist eine »grosse glückstrahlende afro-amerikanische Frau«; Gottes Sohn Jesus ist ein »Mann des Nahen Ostens, gekleidet wie ein Arbeiter, ausgestattet mit einem Werkzeuggürtel und Handschuhen«; der Heilige Geist heisst »Sarayu« und ist »eine kleine, unverwechselbar asiatische Frau«. Gottes Offenbarung Seines Wesens und
Seiner Dreieinigkeit in Bezug auf Heiligkeit und Einheit, in Bezug auf Sein Wesen und Seine drei-einige Personalität werden von Young radikal verfälscht.

In »Die Hütte« bezieht sich die Inkarnation, die Menschwerdung Gottes auf Vater und Sohn und Heiligen Geist, was der Bibel völlig fremd ist; Gott ist Geist, ER ist niemals dreifache Leiblichkeit! – Auch löst Young die inner- trinitarische, sicher geheimnisvolle Zuordnung ab, indem er von Vater, Sohn und Heiligem Geist sagen lässt: »Unsere Beziehung ist die eines Kreises, nicht eine Befehlskette … unter uns macht Hierarchie keinen Sinn«. Damit zerfällt dann auch das Fundament dafür, dass die inner-trinitarische Zuordnung die Grundlage jeglicher menschlicher Beziehungen und Ordnung sein soll.

Ferner trägt – laut Young – auch Gott-Vater die Wunden des Sohnes und leidet mit. Dies ist eine Vorstellung der uralten Irrlehre des »Patripassianismus«, die begründet schon in frühchristlicher Zeit zurückgewiesen wurde.

3. Sünde ohne Gericht Gottes?

In »Die Hütte« findet sich eine unbiblische Vorstellung von Sünde und wie Gott darauf reagiert. »Ich habe es nicht nötig, Menschen für Sünde zu strafen. Sünde ist ihre eigene Strafe, die dich von Innen zerfrisst. Es ist nicht meine Absicht, dafür zu strafen; es ist meine Freude, sie zu heilen.« Young bietet eine Gottheit voller Liebe, aber ohne Heiligkeit und Gerechtigkeit. Dies entspricht zwar Lehren aus der Emerging-Church-Bewegung, stellt jedoch die biblische Lehre von Sünde und Erlösung auf den Kopf.

Dazu passt dies: Während eines Vortrags an der Concordia University in Portland (Oregon USA; Juni 2010) sagte Young in diesem Zusammenhang, dass »der Gott der Evangelikalen ein Monster ist«.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach Young Sünde nicht Trennung von Gott bedeutet: Niemals war irgendjemand von Gott getrennt. Dies behauptet er unter Verdrehung von Römer 8,38.39. Für ihn ist ohnehin jeder Mensch »grundlegend gut« und wird als »Kind Gottes« geboren, womit er den Sündenfall und dessen Folgewirkungen leugnet.

4. Jesus nicht der »einzige« Weg zum Vater?

In »Die Hütte« ist Jesus nur der »beste« Weg zum Vater – nicht aber der »einzige«, wie Gottes Wort unzweideutig und gnädig offenbart: Joh. 14,6.8 / Apg. 4,12 / 1. Tim. 2,5!

Auch sei mit unserem Tod die »beständige Beziehungs-Konfrontation« zwischen Gott und dem Einzelnen nicht zu Ende; sie ginge – so Young – beständig weiter. Und er könne sich nicht vorstellen, dass ein Mensch dies abbrechen wolle … Ja, der Tod könne »einen Erneuerungsprozess auslösen, der uns frei macht, in die Arme der Liebe zu laufen«. Dies ist die Irrlehre, dass sich jemand auch noch nach seinem Tod zu Gott bekehren könne.

5. Ein anderes Evangelium?

Damit ist aufs engste verknüpft, dass Young ein anderes Evangelium lehrt als wir es im Wort Gottes, der Heiligen Schrift finden. So beantwortet er die Frage »Was ist das Evangelium?« auf folgende Weise: »Die Frohe Botschaft ist nicht, dass Jesus uns die Möglichkeit einer Erlösung eröffnet hat und Du eingeladen wirst, Jesus in Dein Leben aufzunehmen. Das Evangelium ist, dass Jesus Dich bereits in sein Leben eingeschlossen hat, in seine Beziehung mit Gott dem Vater, und in seine Salbung im Heiligen Geist. Die Frohe Botschaft ist, dass Jesus dies ohne Deine Zustimmung tat – und ob Du es glaubst oder nicht, das macht es nicht weniger oder mehr wahr.« Auf das Zitieren kurioser Aussagen über das Opfern von Kindern (so spielt Young auf das Erlösungsopfer auf Golgatha an!) verzichte ich, meine aber, dies
muss erwähnt werden: »Gar nichts, auch nicht die Erlösung des gesamten Kosmos, könnte jemals eine schreckliche Foltermethode genannt “Kreuz” rechtfertigen.« Demnach sind das Geschehen von Golgatha und das stellvertretende Sühneopfer von unserem Herrn und Erlöser Jesus Christus offenbar überflüssig!

6. Alle Wege führen zu Gott?

Vielfach hat Young die Lehre bestätigt, die sich auch in seinen Büchern findet: Allversöhnung, eine Form von Universalismus. Im Buch »Lügen, die wir uns über Gott erzählen« bekennt er sich ausdrücklich dazu. Der »Jesus« aus »Die Hütte« sagt, dass Religionslose gleichermassen wie Buddhisten oder Muslime, Mormonen oder Baptisten liebend zu ihm finden. Und er lässt Jesus sprechen: »Ich habe nicht das Verlangen, sie zu Christen zu machen, aber ich möchte mich ihnen in ihrer Transformation zu Söhnen und Töchtern meines Papa verbinden …«.

Dabei darf man nicht vergessen, dass »Papa« eine schwarze Frau ist, für Young eine liebevolle Art Gottes, sich Mack so zu offenbaren, wie er Gott »braucht«. Wird jemand als Kind vom Vater missbraucht (oder macht sonst sehr Schweres durch), offenbart sich Gott also als Frau. »Nach dem, was Du durchgemacht hast, glaube ich nicht, dass Du [Gott als] einen Vater verarbeiten könntest«, sagt »Papa« zu Mack, der Hauptperson des Romans [Einfügung zur Verdeutlichung der Aussage; RM]. Es scheint, dass manch ein Leser diese Idee als barmherzig-empathische Zuwendung versteht – doch Gottes ewige Wahrheit bleibt dabei auf der Strecke. Eine blasphemische Vorstellung kann – selbst in der Verpackung als Fantasy-Roman – niemals empfohlen werden, da sie der Wahrheit Gottes widerspricht und Menschen schlussendlich in die Irre führt.

7. Christliche Gemeinden sind überflüssig?

Offenbar hat William P. Young mit christlichen Gemeinden und Institutionen (Missionswerke, Ausbildungsstätten) schlechte Erfahrungen gemacht, weshalb er sie radikal als »diabolisch« (teuflisch) ablehnt. Er lässt »Jesus« sagen: »Ich gründe keine Institutionen – habe es nie getan, werde es nie tun.« Die Institutionen Gemeinde, Regierung und Ehe sind die »von Menschen erschaffene Trinität des Schreckens, die die Erde verwüstet und die jene verführt, um die ich mich sorge … All das ist falsch.«

8. Die Hölle ist nicht die Trennung von Gott?

Young leugnet, dass die ewige Verdammnis ein Ort permanenter Trennung von Gott ist; statt dessen behauptet er: »… vielleicht ist Hölle nicht Hölle wegen Gottes Abwesenheit, sondern wegen Gottes Gegenwart, die beständige und konfrontierende Gegenwart einer feurigen Liebe und Güte und Freiheit, die die Absicht hat jedes Überbleibsel von Übel und Finsternis zu zerstören, das uns davon abhält völlig frei und total lebendig zu sein. … So schlage ich die Möglichkeit vor, dass Hölle nicht Trennung von Jesus ist, sondern dass sie der Schmerz ist, unserer Erlösung in Jesus zu widerstreben bei gleichzeitiger Unmöglichkeit, ihm zu entkommen, der Wahre Liebe ist.«.

9. Gott unterwirft sich unserem Willen?

Aus der Fülle kurioser Zitate zu dieser blasphemischen Irrlehre sei aus dem Buch »Lügen, die wir uns über Gott erzählen« nur ein Zitat wiedergegeben, das sich auf unsere Lebensentscheidungen bezieht: »Was, wenn es gar keinen “Plan” für Dein Leben gibt, sondern stattdessen eine Beziehung, in welcher Gott uns beständig dazu einlädt, zusammen mit ihm schöpferisch (co-creativ) tätig zu sein, sich ehrerbietig den Entscheidungen zu unterwerfen, die wir auf den Tisch bringen?«. Und später: »Gott … unterwirft sich unserer Entscheidung, selbst wenn er sie völlig ablehnt.«

Dies ist wahrhaftig ein Gott aus der Hobbyecke: zurechtgebastelt nach eigener Phantasie und absurden Träumen – doch all das hat gar nichts gemein mit dem einen lebendigen wahrhaftigen Gott, dem wir auf allen Seiten der Heiligen Schrift und unter dem Kreuz von Golgatha begegnen. Die Lehren von William Paul Young sind in der Tat blasphemische Irrlehren. Eine andere Beurteilung ist doch wohl undenkbar. –

Lässt er deshalb den »Heiligen Geist« im Roman sprechen: »Ich habe eine grosse Zuneigung zur Unklarheit.«?

»Schande über evangelikale Pastoren und Institutionen, welche das Buch unterstützen«

Sind Sie jetzt noch verwundert, dass James B. De Young – der William Paul Young schon einige Jahre persönlich kannte, bevor dessen Roman »Die Hütte« erschien – schreibt: »Schande über evangelikale Pastoren und Institutionen, welche das Buch unterstützen«? De Young hat ein umfangreiches, engagiertes und sehr sachliches Buch über »Die Hütte« verfasst, um vor den darin enthaltenen Irrlehren zu warnen. Im Anhang findet sich von ihm ein deutliches Votum unter der Überschrift: »Schande über evangelikale Pastoren und Institutionen, welche das Buch unterstützen«? Weil dies seelsorgerlich-ernste Worte sind, zitiere ich daraus drei Absätze:

»Warum sollten Pastoren und Ausbildungsstätten Paul Young einladen, um sein Zeugnis zu geben und seinen Roman zu bewerben, wenn er doch einer der schärfsten Gegner jeder institutionellen Kirche ist? Ist dies nicht ein Beweis für deren fundamentaler Unwissenheit in Bezug auf die Heilige Schrift, evangelische Theologie und Geschichte, wie auch in Bezug auf die Irrlehre der Allversöhnung?

Bedenken Sie, dass es Paul Young ist, der die drei Institutionen Kirche, Regierung und Ehe als dämonisch erklärt, diese zweimal als eine “Trinität des Schreckens” bezeichnet, welche für die meiste Bosheit dieser Welt verantwortlich seien. Young beschuldigt diese Institutionen eher als den Teufel selbst, der in seinem Roman überhaupt keine Erwähnung findet. Dennoch laden Pastoren ihn regelmässig in ihre Institutionen ein. Es scheint, als ob diese institutionellen Selbstmord begehen. Es scheint, dass sie sich mehr um Popularität und die attraktive Stimme bemühen, als um Wahrheit und Liebe für die ihnen Anvertrauten. …

Es scheint mir, dass Pastoren, welche Paul Young in ihre Gemeinden einladen, eine enorme Naivität zeigen. Zudem setzen sie ihre Gemeindeglieder der Verfälschung des Wesens Gottes aus, wie auch einer Beziehung zu Gott, die schwer zu korrigieren sein wird, weil sich
so viele emotionell an den Roman binden. Diese Pastoren geben ihre Berufung als “Hirten der Herde Gottes” preis. Schande über sie.«

De Young, James B., »Burning Down “The Shack”. How the “Christian” Bestseller Is Deceiving Millions«, WND Books: Washington USA, 2010 / 1. Auflage; S. 235/236 [Übersetzung: RM].

Dieser deutliche Mahnruf gründet im ewig-gültigen Wort Gottes – und deshalb ist er bleibend aktuell:

Der Apostel Johannes schrieb uns durch Gottes Geist: »… viele Verführer sind hinausgegangen in die Welt, die sich nicht zu dem im Fleisch kommenden Jesus Christus bekennen; das ist der Verführer und der Antichrist. / Gebt acht auf euch, dass ihr nicht verliert, was wir erarbeitet haben, sondern den vollen Lohn erhaltet. / Jeder, der darüber hinausgeht und nicht in der Lehre Christi bleibt, hat Gott nicht; wer in der Lehre bleibt, der hat sowohl den Vater als auch den Sohn.« (2. Johannesbrief 7-9; Zürcher Bibel 2007). Gilt dieses warnend-seelsorgerliche Wort im 21. Jahrhundert noch für uns? Oder wissen wir es besser?

Und der Apostel Paulus schrieb durch Gottes Geist: »Ich wundere mich, dass ihr so rasch dem abspenstig werdet, der euch in der Gnade Christi berufen hat, und euch einem anderen Evangelium zuwendet, / das es gar nicht gibt. Was es hingegen gibt, sind einige, die euch verwirren und die das Evangelium Christi verdrehen wollen. / Jedoch, selbst wenn wir oder ein Engel vom Himmel euch etwas als Evangelium verkündigten, das dem widerspricht, was wir euch als Evangelium verkündigt haben: Verflucht sei er! / Wie wir schon früher gesagt haben, so sage ich jetzt aufs Neue: Wer euch etwas als Evangelium verkündigt, das dem, was ihr empfangen habt, widerspricht, sei verflucht!« (Galaterbrief 1,6-9; Zürcher Bibel 2007)

Dem ist nichts, gar nichts hinzuzufügen.

»Tut um Gottes willen etwas Tapferes!«

Vor dem Ende der Glaubens-, Meinungs-, Lehr- und Predigtfreiheit in der Schweiz?
Ein Zwischenruf – sofern noch gestattet.
Pfarrer Reinhard Möller

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Link zum erwähnten Referendum: www.zensurgesetz-nein.ch

In diesem Jahr wird hin und her im Land an den Schweizer Reformator Huldrych Zwingli (1484-1531) erinnert, denn man feiert 500 Jahre Schweizer Reformation. Eines der am meisten zitierten Worte Zwinglis ist der Aufruf aus einem Brief des Jahres 1529: »Tut um Gottes Willen etwas Tapferes!«[1]. Gegründet im Vertrauen auf das Wort Gottes, die Heilige Schrift, und verwurzelt im Glauben an Jesus Christus reagierte der Reformator auf die Nöte seiner Zeit. Gottes Wahrheit und Seine einzigartige Gnade stellte er neu ins Zentrum – von beiden ist heute in der deutschsprachigen Schweiz kaum noch etwas zu spüren. Zwar läuft in den Kinos ein Film über das Leben Zwinglis und in Zürich steht sein Denkmal monumental an der Limmat, doch es gibt Teenager, die – wie eine Lehrerin letzten Dezember überrascht feststellte – mit den Worten »Jesus« und »Bibel« gar nichts anzufangen wissen. Die Kirchen der Reformationszeit und die prächtigen Landschaften der Schweiz können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Schweiz des 21. Jahrhunderts weitgehend eine Nation ohne Gott ist. Zugleich gibt es an manchem Ort evangelische Gemeinden, die auch heute das biblische Evangelium bezeugen und sich zu Gottes guter Ordnung bekennen.

Allerdings stehen diese – wenn nicht ein Wunder geschieht – kurz vor dem Ende eines weiteren zentralen Aspektes von Religionsfreiheit. Fortan soll verboten sein, sich offen zum Biblischen Ethos zu bekennen: Ein weiterer Teil der jüdisch-christlichen Ethik des Alten und Neuen Testaments (für die Christenheit eine Einheit und ewige Wahrheit) soll offenbar in der Rumpelkammer der Weltgeschichte verschwinden! Konkret:

Am 14. Dezember 2018 wurde im Schweizer Nationalrat der Ausweitung der Antirassismusstrafnorm mehrheitlich zugestimmt[2]; in einer entscheidenden, vorgängigen Abstimmung am 3. Dezember stimmten auch die Vertreter der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) und der Evangelischen Volkspartei (EVP) zu[3]! Behauptet wurde, man wolle sich so gegen Diskriminierung und Aufruf zum Hass gegen »sexuelle Orientierung« aussprechen. Dafür wurde ein Strafrahmen mit bis zu drei Jahren Gefängnis ins Auge gefasst. All dies wäre in Kraft getreten, hätten verschiedenen Kreise nicht das Referendum ergriffen.

Ein Referendum bedeutet in der Schweiz: Parteien, Gruppierungen, Interessengruppen sammeln von Schweizer Staatsangehörigen Unterschriften mit dem Ziel, dass das vom Parlament beschlossene Gesetz erst noch dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden muss. Kommen bis Ende März 50’000 beglaubigte Unterschriften zusammen, kommt es später zu einer Volksabstimmung über den Gesetzestext – vorab zu einer öffentlichen Diskussion der Pro-und-Kontra-Argumente. Die landesweite demokratische Abstimmung ist ergebnisoffen, doch vorher kann die Änderung von Strafgesetzbuch und Militärstrafgesetz nicht in Kraft treten. Das Referendum gegen das »Zensurgesetz« wird von sieben konservativen politischen und ökumenischen Organisationen getragen[4], was dokumentiert, dass spezifisch evangelische Gemeinden, Kirchen und Organisationen scheinbar die öffentliche Diskussion fürchten. Oder verkennt man die Ernsthaftigkeit der Lage?

Worum geht es konkret? Dazu hier die knappen Positionen der Initianten des Referendums, die das verdeutlichen[5]:

Minderheitenschutz braucht keine Zensur. Statt Klagewellen zu riskieren und legitime Meinungen zu kriminalisieren, sagen wir: Nein zu diesem unnötigen Zensurgesetz!

Hass und Diskriminierung sind in der Schweiz schon heute verpönt. Dazu braucht es keine Sprach- und Denkverbote. Also: Hände weg vom freien Wort!

Gleichgeschlechtlich empfindende Menschen sind gleichwertige Mitglieder der Gesellschaft. Sie haben es nicht nötig, per Gesetz zur vermeintlich schwachen Minderheit degradiert zu werden.

Nein zur Einschränkung der Meinungs- und Gewissensfreiheit!

Der Kern der Meinungs- und Informationsfreiheit, verankert in der Bundesverfassung Artikel 16, schliesst das Recht ein, Meinungen zu äussern, die anderen nicht gefallen. In einer intakten Demokratie gibt es keine Ansprüche darauf, nicht kritisiert zu werden.

Nein zu schwammigen Begriffen im Strafgesetzbuch!

Das Strafgesetzbuch bestraft Beleidigung, Ehrverletzung und Verleumdung schon heute. Neue Strafnormen, die kaum fassbare Begriffe wie «sexuelle Orientierung» verwenden, schaden der Rechtssicherheit und bereiten den Boden für eine willkürliche Praxis vor.

Nein zu einer Klagewelle gegen Menschen, die Homosexualität infrage stellen!

Die Erfahrung in vielen anderen Ländern zeigt: Auch die Schweiz muss mit absurden Klagewellen gegen Menschen rechnen, die aus wissenschaftlicher Erkenntnis oder aus religiöser Überzeugung eine kritische Haltung gegenüber der Homosexualität einnehmen. Dies ist einer liberalen und toleranten Gesellschaft nicht würdig!

Während ich dies schreibe ist die halbe Zeit zum Sammeln von Unterschriften bereits abgelaufen, und – anders als sonst – berichten die säkularen Medien der Schweiz so gut wie gar nicht über dies Thema. Angeblich haben die LGBTQ-Organisationen beschlossen, durch bewusstes Schweigen dem Referendum die Aufmerksamkeit zu entziehen[6]. In der Nordwestschweiz erschien bisher ein einziger grösserer Artikel[7]; Leserbriefe dazu wurden nicht publiziert! Drei christliche Publikationen berichteten über die Aktion[8]. Vertreter der Evangelischen Volkspartei waren auf nationaler Ebene nicht dazu bereit, zu konkreten ethischen Fragen Stellung zu beziehen[9] – doch Schweigen ist auch ein Echo.

Meine Fragen richtete ich deshalb an den Kantonalpräsidenten der Evangelischen Volkspartei im Kanton Basellandschaft (EVP BL), Martin Geiser:

(a) Steht die EVP noch zu den jüdisch-christlichen Werten der Bibel, nach der auch Homosexualität als Sünde bezeichnet wird, für die das Gnadenangebot göttlicher Vergebung gilt?

(b) Ist die EVP bereit, sich für die Meinungs- und Glaubensfreiheit von Christen und Gemeinden einzusetzen, die in den letzten Jahren auch hier in der Nordwestschweiz durch die LGBTQ-Lobby Verleumdungen und Morddrohungen erfahren haben, wenn sie sich zu den Werten der jüdisch-christlichen Ethik – zum Beispiel in Bezug auf die Ehe von Mann und Frau – ausgesprochen haben?

(c) Unterstützen Sie das laufende Referendum, um mit Christen und Gemeinden ein Zeichen für den Erhalt unserer Meinungs-, Lehr-, Glaubens- und Religionsfreiheit zu setzen?

Doch entsprechen die Fragen überhaupt der aktuellen Lage oder ist unsere Freiheit gar nicht bedroht? Der Referendums-Text sagt deutlich: »Für Christen bedeutet dies eine starke Beschränkung der Bekenntnisfreiheit und kann gefährlich werden«.

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Nachtrag: Nach Abschluss dieses kleinen »Zwischenrufes« traf zu den aufgeworfenen Fragen eine ausführliche Antwort von Martin Geiser (EVP BL) ein, mit der er die Überlegungen seitens der kantonalen EVP skizzierte[10]. Er sprach sich grundsätzlich für die »Glaubens- und Gewissensfreiheit sowie die Meinungs- und Informationsfreiheit« aus, wie auch gegen jede Form von Diskriminierung und Hass.

Als »Schlussfolgerung« schreibt er dann [Nummerierung ergänzt von RM]:

[1] Aufruf zu Hass und Diskriminierung geht nicht und kann nicht geduldet werden – auch bzw. schon gar nicht von Christen.

[2] Die Interpretation der Bibel, Homosexualität sei Gott ein Gräuel, kann unter Berufung auf die Glaubens-, Gewissens- und Meinungsfreiheit weiterhin verkündet werden. Das systematische Herabsetzen von Homosexuellen und das «Verdammen in die Hölle» hingegen nicht (es liegt nicht an uns Menschen zu verurteilen).

[3] Das vielzitierte Bäcker-Beispiel: Wenn ich jemandem eine Leistung nicht anbiete, weil er/sie homosexuell ist, ist das eine Diskriminierung, die nicht geschützt werden soll.

Persönlich möchte er das Referendum nicht unterstützen, sich aber »auch zukünftig für die Glaubens- und Gewissensfreiheit einsetzen«. – Es ist hilfreich, diese Position der EVP BL zu kennen; zugleich erscheint sie mir inkonsequent und deshalb verwirrend. Dazu kurz dies:

Zu [1] Gab es in der Schweiz tatsächlich Aufrufe von Christen zu Diskriminierung und Hass, wie hier unterstellt wird? Weder in christlichen Kirchen/Gemeinden, noch in der Öffentlichkeit sind mir derartige Aufrufe in den letzten fünf Jahrzehnten begegnet. Weshalb werden dann aber gerade Christen als »Zielgruppe« für die Ausweitung der Antirassismusstrafnorm bezeichnet?

Zu [2] Mag sein, dass die EVP-BL tatsächlich davon ausgeht, die Bibelauslegung werde durch die Ausweitung der Antirassismusstrafnorm nicht eingeschränkt – doch die LGBTQ-Gruppierungen und -Lobby sehen das bekanntermassen anders. Was aber versteht die EVP BL unter »systematischem Herabsetzen von Homosexuellen«? Meines Wissens findet sich dieser unklare Begriff zudem nicht im Gesetzestext.

Verwirrend ist die Aussage vom »Verdammen in die Hölle«, die – so Martin Geiser – nicht mehr verkündigt werden dürfe! (Wer bitte legte das so fest?) Selbstverständlich gehe ich damit einig, dass einzig der lebendige Gott über uns das letzte Urteil spricht. Nur hat ER das nicht bereits in der Heiligen Schrift getan, uns offenbart? Darf ich dies dann – laut EVP BL – nun also doch nicht mehr bezeugen, wenn ich beispielsweise Offenbarung 21 auslege? [Man beachte und bedenke hierzu das untenstehende Zitat von Franklin Graham.]

Zu [3] Schockierend und erschreckend ist dann aber die Aussage: »Das vielzitierte Bäcker-Beispiel: Wenn ich jemandem eine Leistung nicht anbiete, weil er/sie homosexuell ist, ist das eine Diskriminierung, die nicht geschützt werden soll.« Einmal haben wir es nicht mit einem Beispiel zu tun, sondern inzwischen mit einer Vielzahl juristischer Fälle in Bezug auf Bäcker in den USA und Grossbritannien, dazu von Fotografen, Blumenhändlern, Pensionen, Pflegeeltern etc. Vielfach wurde die Glaubens- und Gewissensfreiheit einzelner Christen geringgeachtet, so als ob es diese nicht gebe. Nach aufwendigen und langjährigen Prozessen wurden die Bäcker freigesprochen, zweimal mit bahnbrechenden Urteilen. Sollte dies in der EVP nicht bekannt sein? Zudem ging es nicht darum, ob der Kunde »homosexuell« war, sondern um spezielle Zusatzwünsche, welche die Christen aus Gewissensgründen nicht ausführen konnten. Soll der Staat nun christliche Unternehmer zu bestimmten Leistungen zwingen können? Einzelne haben lieber ihren Beruf aufgegeben, als auf ihre Glaubens- und Gewissensfreiheit zu verzichten – ein hoher Preis, zu hoch! Und das findet die EVP BL in Ordnung?

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Die offenbar von einer breiten LGBTQ-Lobby geförderte Gesetzesänderung wird von Vertretern der Schwulen- und Lesbenorganisationen mit starken Worten unterstützt, so dass bereits von einer »gehässigen Schlammschlacht« gesprochen wurde. Anna Rosenwasser, Geschäftsleiterin der Lesbenorganisation (LOS), betitelte die Gegner des Gesetzes als »reaktionäre Affen«, denn es ginge doch lediglich um einen Minderheitenschutz[11]. Auf derselben Linie, aber konkreter, sind die Aussagen von Stephan Bischof, Leiter der Fachgruppe Religion der Homosexuellen-Organisation PINK CROSS: Das Referendum teile die Gesellschaft in »zwei Kategorien von Menschen«. Für ihn (so wird er im idea-Spektrum wiedergegeben, wenn auch nicht direkt zitiert) ist Homosexualität »kein gewählter Lebensstil, sondern von Gott gegeben«. Wem das nicht passe, der »müsse diese Lebensform dennoch respektieren und akzeptieren«. In der Bibel sei Homosexualität unterschiedlich dargestellt, sie »Sünde« zu nennen sei »polemisch«. Homosexualität müsse in unsere Zeit »übersetzt« werden, wobei für landeskirchliche Pfarrer eine »ablehnende Haltung (der Homosexualität) nicht tolerierbar« sei![12]

Die Schweizerische Evangelische Allianz empfiehlt die Unterzeichnung des Referendums, der Dachverband der Freikirchen (VFG / Verband Freikirchen Schweiz) gehört nicht zum Trägerkreis des Referendums, erkennt aber Probleme im Gesetzestext und hat konkrete Befürchtungen.[13]

Aus dem Ausland sind zahlreiche Beispiele bekannt, wo das Diskriminierungsverbot dazu gebraucht wurde, gegen christliche Unternehmen (Bäckereien, Blumenfachgeschäfte, Hotels) und Institutionen vorzugehen. Mit dem Gesetz könnte zudem versucht werden, gegen die Verbreitung der Bibel vorzugehen und Pfarrer zu verklagen, die in einer Predigt kritische Aussagen zu »praktizierter Homosexualität« machen. So könnte ein Pfarrer mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft werden, wenn dieser beispielsweise in Zusammenhang mit einem Predigttext (oder in einem Leserbrief) sagt, Homosexualität »ist Sünde« oder sie sei »widernatürlich/pervers/unnatürlich«.

Dasselbe beträfe wissenschaftliche Publikationen und ethische Fachvorträge. Darf man noch sagen, dass eine Ehe nach christlicher Überzeugung einzig aus einem Mann und einer Frau besteht? Kann man noch wissenschaftliche Untersuchungen zitieren, die feststellten, dass der sexuelle Missbrauch von Kindern in homosexuellen Partnerschaften deutlich höher ist als in einer heterosexuellen Beziehung? Darf man noch darauf hinweisen, dass es kein »homosexuelles Gen« gibt, dass Gott Adam und Eva erschuf, nicht aber »Adam und Steve«?

International haben sich in den letzten Monaten Vertreter der LGBTQ-Lobby offen dazu bekannt, dass es ihr Ziel ist, die Werte der jüdisch-christlichen Ethik aus dem öffentlichen Leben zu verbannen, ja diese zu ächten und zu verbieten.[14] – Es ist offensichtlich: Das Thema betrifft ganz konkret unsere Glaubens-, und Meinungsfreiheit, unsere Seelsorge-, Lehr- und Predigtfreiheit, letztlich auch unsere Versammlungs- und Religionsfreiheit! Wem diese Freiheiten etwas wert sind, der muss sich mit dieser Thematik auseinandersetzen – und zwar ganz sorgfältig und sachlich.

Zur Versachlichung gehört auch, einen Unterschied zu erkennen zwischen Hass (den wir ablehnen) und Kritik, die ein Freiheitsrecht ist, zwischen Respekt (den jeder Mensch verdient) und Akzeptanz, zu der niemand gezwungen werden kann. Haben viele Homosexuelle heute Mühe damit, anderen die Freiheiten zuzugestehen, die sie selbst längst erreicht haben? Warum drohen sie Christen, indem sie diesen untersagen wollen, ihre Überzeugungen weiterhin offen auszusprechen? Der bereits beschlossene Sonderstatus für »sexuelle Orientierung« in der Antirassismusstrafnorm würde daraus in der Tat ein »Zensurgesetz« machen, wäre somit ein Verstoss gegen die Meinungs-, Lehr-, Glaubens- und Religionsfreiheit. Toleranz lebt von guten Argumenten, nicht aber mit einem Maulkorb.

Und mit Entschiedenheit betonen wir als Christen deutlich: Wir wollen keinem Menschen mit Hass und Verachtung begegnen, ganz im Gegenteil! Täglich sind wir uns unserer eigenen Sünden und unserer Schuld vor Gott bewusst – und wir freuen uns an Seiner gnädigen Vergebung. Es ist keinem Menschen damit gedient, Gottes ewige Wertmassstäbe auf den Kopf oder in Frage zu stellen; was ER »Sünde« nennt, ist »Sünde«, und was ER einen »Irrweg« nennt, das bleibt auch im 21. Jahrhundert ein »Irrweg«. In all dem erkennen wir unsere eigenen Sünden, und in all dem erkennen wir Gottes Barmherzigkeit und Gnade. Daran halten wir fest, das bezeugen wir, und daran darf uns niemand hindern. Es ist unser Bemühen, Gottes Wahrheit in Liebe zu bezeugen – niemand muss uns zuhören, doch Werte von Freiheit und Toleranz gelten auch in Bezug auf Christen.

Werden die jüdisch-christlichen Wurzeln unserer Gesellschaft bewusst aufgegeben und zerstört, so wird unsere Gesellschaft daran Schaden nehmen und zerbrechen. Die Anfänge davon sind längst sichtbar.

Paradox ist (nicht zum ersten Mal) bei der aktuellen Diskussion: Viele Homosexuelle hassen die Mitmenschen am meisten, von denen sie am meisten geliebt werden, denn Christen lieben, weil sie selbst von Gottes vergebender Liebe getrieben werden, die sie persönlich erfahren haben.

Seit bald fünfzig Jahren setze ich mich in diesem Land »nebenbei« für die volle Bekenntnisfreiheit der Christen ein[15], nenne in fast jedem Gottesdienst zu Fürbitte und Gebet Anliegen verfolgter Christen aus aller Welt. [Einzelnen konnten wir immer wieder konkrete Hilfe zukommen lassen.] Aufgewachsen in den Nachkriegsjahren lernten wir die freiheitlich-rechtsstaatliche Demokratie zu lieben – doch nach dem Fall des Kommunismus im Osten Europas mussten wir feststellen, dass in Mittel- und Westeuropa schrittweise Freiheiten abgebaut und viele Werte der jüdisch-christlichen Ethik über Bord geworfen wurden[16]. Der eine lebendige Gott, Sein Wort, die Bibel, und der christliche Glaube wurden nicht nur verleugnet und verspottet, sondern man arbeitete aktiv und blind an der Zerstörung der Fundamente der eigenen Gesellschaft! Ehe und Familie wurden in Frage gestellt, für Pornographie und Perversion schuf man Freiräume, die Schulen wurden ideologisiert und entchristlicht, Abtreibung und sogenannte »Freitodbegleitung« wurden legalisiert … europäische Politiker sagen angesichts eines sich ausbreitenden Islams (der keine Werte kennt), sie würden sich »für westliche Werte« einsetzen – doch sie meinen »Werte«, die letztlich wertlos, weil gottlos sind.

Braucht es dazu weitere Beispiele aus der Schweizer Politszene?:

Die Kantonalpartei »FDP.Die Liberalen Basel-Stadt« beschloss für den Wahlkampf 2019 ein neues Parteiprogramm. Obgleich an einer Stelle von »klar definierten (ethischen) Leitplanken« zu lesen ist, fehlen diese völlig. So möchte man sich für einen freien Zugang der Sterbehilfeorganisationen zu staatlichen Institutionen (sprich: Alters-, Pflegeheime und Krankenhäuser) einsetzen, denn »Jeder Mensch hat das Recht, selber über seinen Tod zu entscheiden«. Auch sollen zukünftig »ausgehend von der Freiheit des Menschen, sich selber zu schädigen« (!) Drogen »legalisiert, kontrolliert und besteuert werden…«.[17]Mit diesen Aussagen werden jüdisch-christliche Werte ausgeblendet.

Namens der Sozialdemokratischen Partei Schweiz (SP) schickte mir die frühere Bundespräsidentin (2011) und Alt-Bundesrätin Micheline Calmy-Rey im Dezember 2017 einen Brief, mit dem sie Spender suchte und versprach, sich für die Verteidigung »unserer Grundwerte« einzusetzen. Nur sind diese niemals die Werte der jüdisch-christlichen Ethik, denn für die SP gelten seit Jahrzehnten allein anti-christliche Werte[18]; 2018 propagierten die Schweizer Jungsozialisten die Abschaffung aller christlichen Feiertage[19], und die Vizepräsidentin der SP Basel-Stadt sprach sich für die Abschaffung der »institutionalisierten Ehe« aus[20]. – Der Vorstoss zur Ausweitung der Antirassismusstrafnorm kam ebenfalls aus den Reihen der SP[21].

In diesem Jahr begeht die Evangelischen Volkspartei ihr 100-jähriges Jubiläum und schreibt dazu, dass sie heute noch dieselben christlichen Werte vertritt wie damals. Doch wo ist das heute sichtbar? Glaubt man tatsächlich, dass ein EVP-Vertreter vor 100 Jahren einer »Antirassismus-Strafnorm« zugestimmt hätte, die für Christen ein Maulkorb ist? Im EVP-Newsletter heisst es: »Verantwortungsbewusst und verlässlich setzt sich die EVP weiterhin für eine Politik ein, die auf Werten basiert und sich am Menschen orientiert«, und genau dort ist das Defizit sichtbar, denn was »evangelisch« ist, das sollte sich »an Gott« orientieren – und nicht »am Menschen«.[22]

Pressesprecher des Referendumskomitees ist der Politologe und EDU-Grossrat im Kanton Bern, Sam Kullmann. Prägnant und begründet sagt er in Bezug auf die Gefahr des Gesetzes: »Zunehmend wird auch in manchen westlichen Ländern die Meinungsfreiheit immer mehr einem „Recht auf nicht beleidigt werden“ geopfert. Toleranz bedeutet nicht, mit jemandem gleicher Meinung sein zu müssen, sondern eine Meinungsäusserung aushalten zu können, die mich vielleicht irritiert, beleidigt oder stresst. Das Referendum ist notwendig für den Schutz der Gewissensfreiheit und des Rechts auf freie Meinungsäusserung.«.[23]

Dankbar sind wir für die Freiheiten, die wir noch haben – und zugleich sehen wir seit einigen Jahren mit Sorge, dass davon mit oft fadenscheinigen Argumenten immer weitere gestrichen wurden[24]. Tragisch ist insbesondere, dass evangelische Christen, die Kirchen und deren Vertreter hierzu weitgehend geschwiegen haben – und auch jetzt wieder schweigen. Das betrifft auch die Evangelikalen in Freikirchen, Gemeinschaften und Kantonalkirchen. Könnte, ja sollte das Zitat des Zürcher Reformators Zwingli uns alle nicht grad im Jahr des Reformationsjubiläums aufrütteln? »Tut um Gottes Willen etwas Tapferes

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Seit über vier Jahren beschäftigt mich ein Artikel von Franklin Graham, in dem er – der öfters kritisiert wurde, wenn er sich klar und deutlich zu Fragen des Islam oder der Homosexualität geäussert hatte – auf Offenbarung 21,8 verwies: »Die Feigen aber und Ungläubigen und Frevler und Mörder und Unzüchtigen und Zauberer und Götzendiener und alle Lügner, deren Teil wird in dem Pfuhl sein, der mit Feuer und Schwefel brennt; das ist der zweite Tod.« Dazu bemerkte er: »Der Himmel ist nichts für Feiglinge. … Christen können nicht Teile von Gottes Wort ignorieren, weil diese unpopulär sind oder zu Trennungen führen. Unser Auftrag ist es, Christus und alles für das ER steht, zu verkündigen. Darum geht es in Bezug auf die Gegenwart der christlichen Gemeinde in dieser Welt. Die Wahrheit der Liebe Gottes können wir nicht ernsthaft verkündigen, wenn wir ignorieren, was ER hasst – und ER hasst Sünde. Seine Liebe schüttet die Lösung für Sünde aus, die die Menschheit gefangen hält. Das finden wir in Seiner unverdienten Gnade – der Gabe der Erlösung. Aus diesem Grunde muss das volle Evangelium gepredigt werden … Es ist egal, wie die Menschheit Sünde definiert; das unangreifbar stichhaltige Wort Gottes hat es längst offengelegt, und das ist unwandelbar. … Es ist Feigheit, Sünde zu entschuldigen, indem wir behaupten, wir hätten kein Recht, zu richten – was Gott schon längst gerichtet hat. Es gibt nur eine persönliche Wahl, die entscheidet, wo wir die Ewigkeit verbringen werden: Wenn wir Christus und alles wofür ER steht wählen, gewinnen wir den Himmel; wenn wir Christi Wort verleugnen, dann sind wir Feiglinge und verdienen die Hölle.«[25]

Ähnlich schrieb Pfarrer Mark H. Creech: »Pastoren und andere Leiter der Kirchen, die in dieser Zeit einer ethisch-moralischen Krise den Mund halten, verleugnen ihren Herrn. Wir sollten die Enttäuschung unseres Herrn spüren, wenn er auf uns sieht. Wir sollten hören, wie der Hahn in der Nähe kräht. Wir sollten bitter weinen.«[26]

»Tut um Gottes Willen etwas Tapferes!« Dies vor 490 Jahren geschriebene Wort ist noch heute aktuell! Und es bezieht sich nicht nur auf ein ethisches Thema, oder auf eine einzige Situation; es bezieht sich auch nicht lediglich auf das aktuelle Referendum, auch wenn es zutrifft: »Für Christen bedeutet [die ausgeweitete Antirassismusstrafnorm] eine starke Beschränkung der Bekenntnisfreiheit und kann gefährlich werden«.

Doch ich frage mich, wenn wir hier in der Schweiz heute so nahe vor dem Ende der Glaubens-, Meinungs-, Lehr- und Predigtfreiheit in der Schweiz stehen, warum schweigen dann so viele? Ist es Blindheit oder Feigheit oder sind wir dem Zeitgeist bereits erlegen?

»Tut um Gottes Willen etwas Tapferes!«, ja: um Gottes Willen!

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© Reinhard Möller / Aesch BL / Schweiz 14./19.2.2019 [Fassung A]

  1. Huldrych Zwingli / Ulrich Zwingli, Brief vom 16. Juni 1529 aus dem Lager bei Kappel.

  2. Parlamentarische Initiative 13.407, Abstimmung 18129; 61,7% JA: »https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/abstimmungen/wer-hat-wie-abgestimmt-im-nationalrat«.

  3. Parlamentarische Initiative 13.407, Abstimmung 17878; 56,3% JA: »https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/abstimmungen/wer-hat-wie-abgestimmt-im-nationalrat«.

  4. Siehe: »https://www.zensurgesetz-nein.ch«.

  5. Ebenda.

  6. Das bestätigte ein kurzer Artikel vom 15.2.2019: »https://www.blick.ch/news/politik/erweiterung-von-anti-rassismus-strafnorm-referendum-gegen-zensur-von-schwulen-witzen-harzt-id15170249.html«; allerdings ist der Beitrag irreführend, wenn unterstellt wird, es ginge um die Freiheit, Schwulenwitze zu erzählen …

  7. Gregor Poletti, »Schlammschlacht tobt bereits heftig« in der Basler Zeitung (1.2.2019, S. 4) [Vgl. auch: »Gehässige Schlammschlacht« unter »https://www.derbund.ch/schweiz/standard/Gehaessige-Schlammschlacht/story/24337170«].

  8. »Jugend & Familie«, Nr. 1-2019 (Januar 2019); »ideaSpektrum« (Schweiz), 5-2019 (30.1.2019), S. 3.8-11; »EDU-Standpunkt«, 2-2019, S. 8-10.

  9. Korrespondenz mit der EVP-Parteipräsidentin und Nationalrätin Marianne Streiff (zuletzt am 31.1.2019).

  10. Korrespondenz mit EVP-Kantonalpräsident Martin Geiser (zuletzt am 18.2.2019).

  11. Gregor Poletti, »Schlammschlacht tobt bereits heftig« in der Basler Zeitung (1.2.2019, S. 4).

  12. »ideaSpektrum« (Schweiz), 5-2019; S. 10.

  13. Ebenda, S. 10/11.

  14. Exemplarisch seien hier aus einer Fülle von Artikeln nur drei erwähnt: 1] Bob Unruh: »Finally! “Gays” Reveal Agenda as Shutting up Christian« (»http://www.wnd.com/2016/12/finally-gays-reveal-agenda-as-shutting-up-christian/?cat_orig=«); [2] Michael Brown: »Yes, Gay Activists Want to Punish Christian Conservatives« (»http://www.christianpost.com/news/gay-activists-punish-christian-conservatives-192697/«, 22.7.2017); [3] John Ellis: »Author Calls for Atheists and LGBTQ Communities to Join Forces Against Christians« (»http://www.wnd.com/2018/04/call-for-atheists-lgbtqs-to-join-forces-against-christians/?cat_orig=faith« + »https://pjmedia.com/faith/author-calls-atheists-lgbtq-communities-join-forces-christians/«).

  15. Exemplarisch seien diese drei Vorträge von mir im Rahmen der Frühstücks-Treffen in Dornach SO (Schweiz) angeführt: [1] »Kommt es in Europa zu einer neuen Christenverfolgung?«, 3.4.2004; [2] »Vor der Tür: Das Ende aller Freiheiten?«. 5.9.2015 und [3] »Zur Auflösung aller biblischen Werte: Ist die ethische Ordnung Gottes belanglos?«, 3.9.2016.

  16. Einen wegweisenden Kontrapunkt setzt das »Nashville Statement (2017)« der Koalition für Biblische Sexualität (siehe: »https://cbmw.org/nashville-statement«). Deutsch in »Maleachi-Info« 1-2018 (S. 3-5) und unter »https://cbmw.org/wp-content/uploads/2017/08/Nashville_01_farbig_einseitig.pdf«.

  17. Das aktuelle Parteiprogramm wurde am 20.8.2018 verabschiedet, siehe: »https://www.fdp-bs.ch/fileadmin/groups/141/Parteiprogramm_2018_-_defintive_Fassung.pdf«.

  18. Franz Eugen Schlachter schildert 1893, dass die Zürcher Sozialdemokraten damals mehrheitlich beschlossen: »Sozialdemokratie und Christentum sind unvereinbare Gegensätze, die sich in ihren Grundanschauungen widersprechen« (Wochenzeitschrift »Brosamen. Evangelisches Volksblatt«, 22.4.1893, S. 128.). Daran hat sich offenbar nichts geändert, auch wenn Nationalrat Eric Nussbaumer (SP/Methodist) 2012 behauptet, »Gott ist ein Linker« (BAZ, 28.12.2012, S. 17).

  19. »Schweizer Jusos fordern Abschaffung christlicher Feiertage« (»http://kath.net/news/63104«, 13.3.2018).

  20. »Sozialdemokraten wollen die Ehe abschaffen« in Basler Zeitung, 13.12.2018, S.22.

  21. Siehe z.B.: »https://www.swissinfo.ch/ger/politik/erweiterung-der-antirassismus-strafnorm_schweiz-hat-neuen-gesetzesartikel-gegen-homophobie/44591328« (zuletzt gelesen: 18.2.2019).

  22. EVP Newsletter vom 26.1.2019 (EVP-PEV Schweiz).

  23. Aus einem Interview im »EDU-Standpunkt«, 2-2019, S. 10.

  24. So wurden aus Schweizer Bibliotheken christliche Bücher und Videos entfernt, das Verteilen von Bibeln durch die GIDEONs verboten oder eingeschränkt, Predigten in Migrantengemeinden überwacht, Ausländern in der Schweiz Seelsorge oder Verkündigung untersagt, der christlichen Jugendarbeit (Jungscharen u.a.) für Lager staatlich-finanzielle Unterstützung gestrichen, wenn diese evangelistische Zielsetzungen hatten, etc.

  25. Franklin Graham: »Cowards or Overcomers? Standing Strong on God’s Word« (10.7.2014) unter »http://billygraham.org/decision-magazine/july-august-2014/cowards-or-overcomers-standing-strong/«; deutsch von RM.

  26. Mark H. Creech: »Silent Preachers Deny Christ« (23.5.2017) unter »http://www.christianpost.com/news/silent-preachers-deny-christ-184555/«; deutsch von RM.