Corona-Krise – und alle Schafe ohne Hirten?

Als Jesus »das Volk sah, jammerte es Ihn; denn sie waren verschmachtet und zerstreut wie die Schafe, die keinen Hirten haben.«

Matthäus 9,36  (Luther 1984)

Diverse Einschränkungen werden schrittweise aufgehoben, Gottesdienste sind mit Auflagen wieder zugelassen, Grenzen noch weitgehend geschlossen und man beginnt intensiver Bilanz zu ziehen. Viele danken den Regierenden lobend, andere äussern Kritik an ihren Entscheidungen; so in der Mitte zwischen Kritik und Lob nehmen die Verantwortlichen an, während der Corona-Krise so ziemlich alles richtig gemacht zu haben … War und ist es weise, unsere Freiheits- und Grundrechte massiv einzuschränken, Betagte und Kranke mit einem Kontaktverbot zu belegen, das sie sich freiwillig wochenlang so niemals auferlegt hätten? Genügt es tatsächlich, sich schwerpunktmässig auf Fragen der Wirtschaft und des Gesundheitswesens zu konzentrieren, zugleich aber alles auszuklammern, was die Seele des Einzelnen betrifft?

In der Schweiz gab es in den letzten drei Monaten offiziell 1648 coronabedingte Todesfälle, man ist froh, dass diese Zahl nicht höher ist – doch wo bleibt auch nur ansatzweise Dankbarkeit gegen Gott? ER wurde, wie die inneren Bedürfnisse aller Menschen, schlicht vergessen, wurde schon lange vorher ausgeklammert. Genauso, wie fast alles Christliche aus den Lehrplänen der Schulen gestrichen wurde. Gott? Ein Unbekannter!

1831/32 wütete in Grossbritannien eine Cholera-Epidemie und forderte 31.000 Tote. Damals erklärte die Regierung den 21. März 1832 zum nationalen Tag des Fastens und der Demütigung vor Gott. Ähnliches lässt sich aus der Geschichte der Schweiz, Deutschlands und anderer Staaten berichten. Doch heute, im 21. Jahrhundert, ist man zwar bestens vernetzt – hat aber jede Verbindung zum lebendigen Gott gekappt; anders gesagt: Atheismus und Gottlosigkeit haben gemeinsam “beschlossen”, dass unsere Gesellschaft keinen Hirten nötig hat. Im Bewusstsein der eigenen Autonomie und Selbstverwirklichung hat Gott eben zu schweigen …

Die Bibel, durch die unser Schöpfer noch heute zu uns reden will, zeigt uns das Bild vom treuen und fürsorglichen Hirten, wie auch warnend das von Hirten, die die Schafe in die Irre führen oder vernachlässigen. Unterscheidung tut not! Dabei haben wir in der Person des Sohnes Gottes praktisch auf allen Seiten der Bibel das einzigartige Beispiel eines mitfühlenden, mittragenden, auf saftige Wiesen leitenden Hirten. Niemand kennt uns besser als ER!; diese Aussage ist nicht aus einem Gleichniss von “Hirte und Herde”, sondern das ist alltägliche Realität! So ist Gott! ER hat uns erschaffen, und schon von daher weiss ER am allerbesten, was uns dient, was wir tragen und ertragen können, was wir ganzheitlich nach Leib, Seele und Geist benötigen etc.

Jesus schaut nicht aus der Ferne auf die Herde, sondern ER wurde Mensch, um das Verlorene zu suchen, zu finden und zu erretten! So hat ihn jeder Christ als Hirte erfahren, ganz persönlich. Und deshalb bezeugen wir: »Der HERR ist mein Hirte; mir wird gar nichts mangeln; ER erquickt meine Seele; Unglück muss ich nicht fürchten; Du bist bei mir.« (nach Psalm 23) –

Das unsichtbare Corona-Virus ist weiterhin vorhanden und aktiv. Mit Weichenstellungen hin zu einer “neuen Normalität” soll eine zweite Welle der Pandemie verhindert und die Bevölkerung geschützt werden; so die Hoffnung. Mehr Distanz soll Sicherheit schaffen, bewirkt aber auch mehr Einsamkeit, mehr Depressionen, mehr Verlassenheit; »verschmachtet und zerstreut wie die Schafe« – die Seele geht vergessen. Wie im Kommunismus der “neue Mensch” immer eine Utopie blieb, so bringt uns die “neue Normalität” auch nur die alte Gottlosigkeit. Wirklich Neues bringt einzig der gute Hirte, denn jede andere vermeintliche Hoffnung ist eine Fata Morgana!

© Pfarrer Reinhard Möller