Corona-Krise – und die Kirchen sofort öffnen?

Ich bin ein Pastor. Warum öffne ich jetzt meine Kirche trotz Verbot des Gouverneurs?

Diesen Beitrag schrieb Pastor Josh Akin für die amerikanische Zeitschrift “Christian Post” (Online am 9.5.2020). Josh Akin ist im US-Staat Viriginia Pastor der GraceBuilt-Gemeinde in der Kleinstadt Waynesboro. Die deutsche Übersetzung erstellte Reinhard Möller mit freundlicher Genehmigung des Verfassers. – Auf der Website seiner Gemeinde publizierte Pastor Akin zwei Tage zuvor einen ähnlichen Beitrag. Die Links zu den amerikanischen Originalbeiträgen finden sich am Ende dieses Artikels. Ebenfalls finden sich dort erläuternde Bemerkungen des Übersetzers.

Als Gemeindehirte in den Bergen von Zentral-Virginia tätig zu sein, bringt eine ganze Reihe von Vorteilen mit sich – grossartige Grillfeste, herzliche Gastfreundschaft und in den letzten zwei Monaten nahezu Null Corona-Virus-Fälle. Hier bei uns ist das Leben anders. An jedem beliebigen Tag kann man tausend oder mehr Leute im Walmart-Supermarkt treffen, hunderte in irgendeinem sonstigen Kaufhaus und null in irgendeiner der Kirchen.

Selbstverständlich ist es für mich gestattet, mit einer beliebigen Anzahl von Menschen in irgendeinem der geöffneten Läden, Büros oder Gebäuden zu beten. Aber zugleich ist es für uns illegal, mit zehn Personen in unserer Kirche zu beten.

Bereits seit sechs Wochen gibt es in meiner Gemeinde keine Gottesdienste mehr, an denen Personen teilnehmen dürften; da man sich nicht sicher fühlte, um in der Kirche zusammenzukommen, wurden Gottesdienste Online angeboten. Doch es hat sich an unserem Ort etwas verändert. Die Menge von Menschen, die sich draussen aufhält, ist der Beweis dafür, dass sich viele wieder sicher fühlen. Weshalb halten wir dann nicht wieder Gottesdienste nach biblischer Weise ab? Einzig wegen einer Verordnung des Gouverneurs.

Für viele in meiner Stadt ist es nicht mehr eine Frage der Sicherheit. Sicherheit würde ja bedeuten, dass ich mich gefährdende Kontakte deutlich einschränke. Aber hier bei uns am Ort arbeitet jemand den ganzen Tag mit vielen Leuten zusammen, holt sich sein Mittagessen aus einem Restaurant, das zur selben Stunde Hunderte bedient, wo zudem zwanzig Mitarbeiter in der engen Küche arbeiten, und auf dem Heimweg besorgt er sich noch irgendetwas aus einem der grossen Kaufhäuser seiner Wahl. Eine andere Person jedoch, die pflichtbewusst die ganze Woche hindurch daheimbleibt, darf sich am Sonntag nicht zum Gebet versammeln. Hier in meinem Staat, in meinem Bezirk, hat das Verbot zum Gottesdienstbesuch nichts damit zu tun, gefährdende Kontakte zu meiden; es geht einzig um die Verordnung des Gouverneurs.

Im Buch Daniel hatte der König angeordnet, ausser zu ihm dürfe während 30 Tagen niemand sonst zu jemandem beten (Daniel 6,7). Daniel kehrt in sein Zimmer zurück, er betet genauso, wie er es zuvor immer gemacht hatte – und die Obrigkeit erwischt ihn beim Gebet.

Nun, Daniel wusste so gut wie Du und ich, dass er nach den 30 Tagen wieder beten dürfte. Gott verlangt nicht, dass wir mit geschlossenen Augen beten. Daniel hätte auch still beten können, oder ohne zu knien oder ohne erhobene Hände. Er tat nichts dergleichen. Daniel entschloss sich dazu, nach dem Vorbild der Heiligen Schrift zu beten, und nach seiner lebenslangen Gewohnheit (Daniel 6,10). Er war bereit, mit der Strafe der Löwengrube konfrontiert zu werden, weil er nicht die Regierung diktieren lassen wollte, wie sein persönlicher Gottesdienst auszusehen hätte.

Das Neue Testament offenbart uns dasselbe: In Apostelgeschichte 5 predigt Petrus im Tempel, statt sonst irgendwo. Im Tempel zu predigen – diesem Zentrum derer, die soeben Jesus ans Kreuz gebracht hatten –, das war der Ort, an dem es mit Sicherheit zum Konflikt mit den Autoritäten kommen würde. Gottes Wort gestattet uns ganz sicher, an jedem Ort und überall zu lehren, nicht nur am riskantesten aller Orte. Doch als Petrus erneut verhaftet wird, da wird er von einem Engel befreit und dieser sagt ihm deutlich: »Geh und predige im Tempel.« (Apg. 5,17) Wieso hat Gott so etwas befohlen? Weil die Entscheidung des Petrus deutlich zeigte, was seine Worte die ganze Zeit gesagt hatten: Jesus ist Herr über alles, nicht die Autoritäten.

Deshalb ist die Entscheidung für mich einfach. Vom nächsten Sonntag an, zusätzlich zum Onlineangebot unserer Gottesdienste, werden wir den Leuten gestatten, sich zum Gebet und Gottesdienst zu versammeln. Unsere Herde ermutige ich, diesbezüglich für ihre Familien die beste Entscheidung zu treffen, die persönliche Lebens- und Gesundheitssituation dabei zu Grunde zu legen.

Seit ich diese Veränderung bekannt gab, war es eine sehr interessante Woche mit einer Vielzahl verschiedener Reaktionen. “Hat der Gouverneur seine Haltung geändert?” Nein, aber wenn er mir nicht gestattet, zu beten und Gottesdienst zu halten – Jesus hat es ein-für-allemal getan.

Andere fragten: “Weisst du nicht, dass die Bibel sagt, du sollst den Obrigkeiten gehorchen?” Man sollte meinen, ich würde mit Drogen handeln! Ich erinnere sie einfach daran, dass ich lediglich zu meinem Gott bete und IHM singe.

Selbstverständlich habe ich die selbstgerechtesten Antworten von Christen erhalten. Vermutlich ist das keine grosse Überraschung, nehme ich an. Gewöhnlich fragen diese: “Willst Du denn auf die Leute vor Ort keine Rücksicht nehmen; sind sie dir gleichgültig?” Und meine Antwort ist dieselbe wie von uns allen: Das Beste, das ich den Leuten am Ort geben kann ist Jesus.

In Amerika, und in der Christenheit, tun wir das Beste, wenn wir andere ihren Gottesdienst halten lassen, wie es ihnen beliebt. Daheim oder in Gemeinschaft mit anderen wird es Zeit, dass wir andere selbst entscheiden lassen, wie und wo sie unserem Gott Ehre erweisen und Gottesdienst halten.

© Original: Josh Akin

Deutsche Übersetzung: © Pfr. Reinhard Möller / Mai 2020

Amerikanische Quelle Christian Post:
Vergleiche auch Publikation auf Gemeinde Webseite
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Erklärender und nachdenklicher Hinweis des Übersetzers: Die Situation in Bezug auf Gottesdienstverbote während der Corona-Pandemie war und ist je nach Staat, manchmal auch regional sehr unterschiedlich. So wollen zu Pfingsten im US-Staat Kalifornien etwa 3000 Kirchen öffnen um für ihre 2,5 Millionen Mitglieder wieder Gottesdienste anzubieten, obgleich der Gouverneur das verboten hat. – In Georgia hatte eine Baptisten-Gemeinde Ende April wieder Gottesdienste angeboten, dann jedoch am 11. Mai vorläufig alle Veranstaltungen abgesagt, da mehrere Familien an COVID-19 erkrankt waren. – In einigen Staaten haben christliche Kirchen es auf dem gerichtlichen Weg versucht, sich die volle Religions- und Versammlungsfreiheit wieder zu erstreiten; öfters mit Erfolg. Wieder andere Christen sahen die staatlichen Beschränkungen als für den gesundheitlichen Schutz zwingend notwendig an und erachteten die Glaubensfreiheiten als “vorübergehend” weniger wichtig. –

Während der gegenwärtigen Phase der Lockerung von Einschränkungen und Ausgangssperren bestätigt sich allerdings hier und dort der Eindruck, dass das kirchliche Leben von Seiten der Regierungen und Politiker als ziemlich nebensächlich gewertet wurde und wird … Der christliche Glaube wird im säkularen Staat zunehmend als nicht “systemrelevant” und nicht mehr “lebenswichtig” angesehen. Deshalb kann man Gartencenter und Möbelhäuser öffnen; Kirchen und Freikirchen können noch warten … – In diese Situation hinein spricht der Beitrag von Pastor Josh Akin (Virginia, USA), der das biblische Zeugnis ins Zentrum stellt und der dazu aufruft, sich als Gemeindehirte bewusst am Wort Gottes zu orientieren, statt am Zeitgeist oder an Weisungen von Obrigkeiten, die sich nicht scheuen, auch Grundrechte ausser Kraft zu setzen. Jeder Christ ist eingeladen, die Ausführungen von Pastor Akin persönlich zu bedenken; und für Gemeindehirten gilt das in der Verantwortung vor unserem Herrn Jesus Christus sicher noch viel mehr. –

Einen Tag nach Abschluss der Übersetzung dieses Artikels hat der Schweizer Bundesrat entschieden, dass Gottesdienste ab dem 28. Mai wieder stattfinden könnten. – Doch hätten unsere Kirchen und Gemeinden darauf überhaupt verzichten dürfen? Macht jegliche Not das Angebot des Evangeliums, das Angebot von Seelsorge und Gebet nicht erst recht notwendig?

RM