Corona-Krise – und die Furcht vor der Obrigkeit.

Es ist kein Prophet mehr da,
und keiner unter uns weiss, wie lange das dauern soll.
… Warum ziehst Du, [Gott], Deine Hand zurück?

Psalm 74,9.11

In einer freiheitlich-rechtsstaatlichen Demokratie braucht sich niemand vor seiner Obrigkeit zu fürchten – schliesslich hat man sie selbst gewählt; oder? Und wenn jetzt bei uns in Mitteleuropa Notstandsgesetze gelten, dann sind ja auch diese demokratisch zustande gekommen. Darauf bauen wir. Zudem gelten gerade bekennende Christen als die treuesten Befürworter staatlicher Strukturen, obgleich sie seit Jahrzehnten den Abbau der jüdisch-christlichen Ethik – und damit die Zerstörung des Fundaments unserer Gesellschaft – auf breiter Front miterleben. Und jetzt?

Angesichts der Corona-Pandemie leben wir unter massiv veränderten Verhältnissen, weil man der Ausbreitung des Virus entgegenwirken will. Freiheiten des gewohnten Lebens wurden eingeschränkt, die Grenzen sind geschlossen, Ausnahmeregeln eingeführt und in allen Staaten Europas erwartet man vom Bürger “Solidarität”. Und es klappt scheinbar recht gut…

Zugleich brechen jetzt Fragen auf: nach Nutzen, Dauer und Kosten der Massnahmen, nach dem Übergang zur “Normalität” und man diskutiert bereits, was sich regional oder global zukünftig ändern “muss”. Die einen bedauern noch mit guten Gründen, was sie zurzeit alles vermissen und wünschen sich ein Zurück ins Leben vor Corona – doch andere entwerfen bereits ungefragt eine neue Weltordnung, versuchen parteipolitisch und ideologisch jetzt schon die Weichen zu stellen. – Karsamstag hielt der deutsche Bundespräsident, Frank Walter Steinmeier, eine Rede ans Volk und sagte beispielsweise: “Wir alle sehnen uns nach Normalität. Aber was heißt das eigentlich? Nur möglichst schnell zurück in den alten Trott …? Nein, die Welt danach wird eine andere sein. Wie sie wird? Das liegt an uns! … Ich glaube: Wir stehen jetzt an einer Wegscheide. … Wir werden nach dieser Krise eine andere Gesellschaft sein. …”; und er plädierte für “eine globale Allianz”. Andere Stimmen benennen ganz ähnliche Erwartungen – oder Utopien.

Die Regierungen stützen sich gerade jetzt auf ihre Berater und hören auf Wissenschaftler; doch zugleich wissen wir, dass sich Juristen und Fachleute in zentralen Themen sehr oft untereinander nicht einig sind. Dennoch sind Entscheidungen zu treffen, selbst dann, wenn sich ein unsichtbares Virus letztlich nicht danach richtet … – Jedermann, nicht nur Regierende, tun gut daran, zu berücksichtigen, dass über ihnen und über allem der eine lebendige Gott thront und regiert. Sein Wort sagt zeitlos: Gott »macht den Rat der Völker zunichte und ER wehrt ihren Gedanken. Aber der Ratschluss des HERRN bleibt ewiglich, seines Herzens Gedanken für und für. Wohl dem Volk, dessen Gott der HERR ist«! (aus Ps. 33,10-12)

In einer englischen Kleinstadt hat der “Arme Richard” an die Tür seines Antiquariats das Schild geklebt: “Ich liebe mein Land, aber ich fürchte meine Regierung”. Bedenkenswert. – Christen erweisen ihrer Obrigkeit, den Behörden Achtung; Christen haben den Auftrag, so schreibt der Apostel Paulus, insbesondere für die Regierenden zu beten (siehe 1. Tim. 2,1-3), doch unser Vertrauen gehört einzig und allein dem dreieinen Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist. Niemand kann diese Ehrfurcht und Gottesfurcht beanspruchen, die nur IHM gebührt!

Das aber darf keine fromme Floskel sein, sondern unser Christenleben muss diese Realität tag-täglich sichtbar zeigen. Es muss erkennbar sein – wie Licht in der Finsternis –, dass Gott unser HERR ist, wenn wir bezeugen wollen: »Wohl dem Volk, dessen Gott der HERR ist«! Ein Volk ohne Gottesfurcht ist ein Gott-loses Volk. Und der eine einzige Gott lässt sich von uns in der Not nicht als Notbremse missbrauchen, wenn wir sonst nie nach IHM fragen. Warum soll Gott nach dem Volk fragen, wenn das Volk nicht nach Gott fragt?

© Pfarrer Reinhard Möller