Corona-Krise – aber kein Buss- und Bettag?

Besser ist’s auf den HERRN vertrauen als auf Menschen sich verlassen; besser ist’s auf den HERRN vertrauen als auf Fürsten sich verlassen.

Psalm 118,8.9  (H. Menge)

Am ersten Tag nach dem totalen Versammlungsverbot, das der Schweizer Bundesrat gestern vorsorglich anordnete, liegt die aktuelle Not-Ordnung wie ein grosses und schweres Fragezeichen über dem Land. Die Obrigkeit möchte reagieren, um den Ungewissheiten einer sich stark ausbreitenden, weitgehend unbekannten Krankheit zu begegnen. Vorsorglich werden Grenzen abgesteckt, so auch alle privaten und öffentlichen Versammlungen untersagt – wohl erstmalig auch sämtliche kirchliche Anlässe. Für vorerst fünf Sonntage dürfen keine Gottesdienste mehr stattfinden, darunter auch die hohen Feiertage Karfreitag und Ostern … kein Problem?, vielleicht gar weniger einschneidend oder weniger wichtig als abgesagte Fussballspiele und andere Sportanlässe?

Weltweit sieht es seit Tagen ähnlich aus – doch es gibt auch ganz offensichtliche Unterschiede: Als US-Präsident Trump (ob viel gehasst oder viel geliebt, das spielt hier für einmal keine Rolle) seine Massnahmen für die USA ankündigte, rief er zugleich zu einem Nationalen Gebetstag auf, der dann landesweit am letzten Sonntag berücksichtigt wurde. Und heute haben die anglikanischen Bischöfe Welby und Sentamu in Grossbritannien alle zu einem Nationalen Gebetstag am nächsten Sonntag (22.3.) aufgerufen. Wirft das bei uns keine Fragen auf?

Der Bundesrat eines Landes, das auf dem jüdisch-christlichen Erbe gründet, sieht sich mit einer notvollen und einzigartig komplexen Situation konfrontiert – doch es gibt keinen Aufruf zu einem speziellen landesweiten Buss- und Bettag? Man bemüht sich engagiert, Lösungen für die Wirtschaftsordnung und für die Gesundheitsdienste des Landes aufzugleisen – und die Seele des Einzelnen wird dabei übersehen? Ja man schliesst die Kirchen, anstatt zu Gottesdiensten und Gebetsversammlungen aufzurufen, wie es unsere Väter noch bewusst taten. Hat sich unsere Gesellschaft längst so weit von Gott entfernt, dass das, was zu allererst notwendig wäre, jetzt nicht einmal mehr als allerletztes noch im Blickfeld ist?

Eine Obrigkeit, die nicht mehr weiss, dass über ihr der ewig-lebendige und allmächtige Gott auf dem Thron sitzt und regiert, die steht – ob bewusst oder unbewusst – in der Gefahr, sich für allmächtig zu halten. In der Heiligen Schrift ruft uns unser Schöpfer dazu auf, primär und zutiefst IHM zu vertrauen. Dies Gottvertrauen beginnt mit dem demütigen Gebet des Einzelnen, und dazu kann das »Unser Vater« ein erster Schritt sein. Wir alle brauchen nichts notwendiger als die segnende Gegenwart und das gnädige Wirken Gottes! Und alle Obrigkeit in den Gemeinden, in den Kantonen, im ganzen Land sollte sich dessen tagtäglich bewusst sein.

Bei aller Hochachtung vor den Anstrengungen, die unternommen werden, um der Ausbreitung des Corona-Virus Herr zu werden und die Bevölkerung zu schützen, auch Erkrankte zu pflegen und der Not zu steuern, dürfen wir uns nicht täuschen: Einzig das direkte Eingreifen des einen wahrhaftigen und lebendigen Gottes kann die Ausbreitung des Virus stoppen; das betrifft den Einzelnen, das gilt für die gesamte Gesellschaft unseres Landes, das gilt weltweit. Und deshalb beten wir schon jetzt – wohl wissend, dass es in dieser Situation auch einen nationalen Buss- und Bettag bräuchte. Zu ehrlich-demütigem Gottvertrauen eines ganzen Landes gibt es keine Alternative!

© Pfarrer Reinhard Möller